Die Schadenersatzhaftung wegen Insolvenzverschleppung wird in diesem Beitrag beleuchtet. Es wird darauf eingegangen, wen die Insolvenzantragspflicht trifft, wer schadenersatzpflichtig werden kann und wer wegen Insolvenzverschleppung Schadenersatz fordern kann.

Gesetzliche Regelung zur Insolvenzantragspflicht

Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen.[1] Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.[2] Bei diesen Gesellschaften gilt dies sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.[3] Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.[4] Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Abs. 2 des BGB gilt, ist dies nicht anzuwenden.

 

Insolvenzantragspflicht als Schutzgesetz und Konkurrenzen

Wer gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.[5]

Ein solches Schutzgesetz ist bei Rechtsnormen gegeben, die nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit dienen oder die innerstaatliche Ordnung regeln, sondern den Schutz eines anderen bezwecken.[6]

Diese Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags dient zum einen dazu, im Interesse der Gläubiger möglichst weitgehend die Insolvenzmasse durch frühzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erhalten und zum anderen dazu, dem Rechtsverkehr und damit auch potentiellen Gläubigern Schutz vor der Aufnahme von Geschäfts- und Vertragsbeziehungen mit einer insolventen Gesellschaft zu gewähren, die – laut BGH – „aus dem Rechtsverkehr zu entfernen“ sei.[7]

Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung folgern daraus, dass es sich bei der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags um ein Schutzgesetz im oben genannten Sinne handelt.[8]

Der sich daraus ergebende Schadenersatzanspruch wird nach herrschender Meinung auch nicht durch die im Aktien-[9] sowie im GmbH-Gesetz[10] jeweils geregelte Innenhaftung (gegenüber der Gesellschaft) für Verstöße gegen das Zahlungsverbot nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verdrängt. Als Argument wird angeführt, dass nach der Innenhaftung nur eine Haftung für Zahlungen bestünde, während die deliktische Außenhaftung über die Konstruktion der Antragspflicht als Schutzgesetz auch weitere Ursachen für eine Verschlechterung der Befriedigungschancen der Gläubiger im Insolvenzverfahren erfasse, was im Interesse des Gläubigerschutzes angebracht sei.[11]

Gläubiger der Insolvenzverschleppungshaftung

Als Gläubiger des Schadenersatzanspruchs wegen Insolvenzverschleppung kommen sämtliche Gesellschaftsgläubiger in Betracht, die ihren Anspruch bis zum Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung erworben haben. Dies können sowohl solche Gläubiger sein, die ihren Anspruch bereits bis zu dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem der Insolvenzantrag bei pflichtgemäßen Handeln hätte gestellt werden müssen (Altgläubiger), als auch solche, die erst nach diesem Zeitpunkt die Gläubigerstellung erlangt haben (Neugläubiger).

 

 

Objektiver Tatbestand der Insolvenzverschleppung

Adressaten der Insolvenzverschleppungshaftung

Organisationsform
Juristische Person

Im Gesetz wird die Antragspflicht unter anderem daran geknüpft, dass „eine juristische Person“ zahlungsunfähig oder überschuldet wird.[12] Dies verallgemeinert die gesetzliche Pflicht zur Antragstellung gegenüber der bis Ende 2008 geltenden Rechtslage, wonach die Insolvenzantragspflicht spezialgesetzlich für die GmbH, die Aktiengesellschaft sowie die Genossenschaft geregelt war. Aufgrund des (strafrechtlichen) Analogieverbots[13] war insbesondere die Ausweitung der Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung auf andere Gesellschaftsformen nicht möglich.

Durch die rechtsformneutrale Formulierung „juristische Person“ und die Verlagerung der Antragspflicht aus den Spezialgesetzen in die Insolvenzordnung ist eine Anwendung auf weitere Gesellschaftsformen nunmehr möglich bzw. zwingend.

Vom Wortlaut erfasst wäre auch eine Auslegung, wonach sich auch die Leitungsorgane der juristischen Personen Idealverein (nichtwirtschaftlicher Verein) und Stiftung im Fall der Verletzung der Pflicht zur Insolvenzantragstellung strafbar machen würden. Für den Idealverein und die Stiftung ist die Pflicht zur Insolvenzantragstellung jedoch spezialgesetzlich geregelt.[14] Eine Strafbarkeit im Fall der Verletzung der Insolvenzantragspflicht ist dort – anders als eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber den Gläubigern – nicht geregelt. Aus diesem Umstand folgern beachtenswerte Stimmen in der Literatur, dass die Strafbarkeitsdrohung im Fall der Verletzung der Insolvenzantragspflicht für Leitungsorgane von Idealvereinen und Stiftungen keine Anwendung findet.[15]

Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit

Im Gesetz ist darüber hinaus eine Antragspflicht „für die organschaftliche Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist“ bestimmt, wobei keine Antragspflicht besteht, „wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist“.[16]

Gemeint sind insbesondere Formen der oHG oder KG, sowie solche der GbR, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. So begründet sich aus dieser Norm etwa die strafbewehrte Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer einer GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG ist.[17]

Verschachtelung der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit

Im Gesetz ist überdies bestimmt, dass die (strafbewehrte) Insolvenzantragspflicht auch dann gilt, wenn eine Gesellschaft wie die vorbeschriebene gegeben ist und die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.[18]

Die Norm dient der Verhinderung der Umgehung der vorstehend dargestellten Regelungen zur Insolvenzantragspflicht und stellt sicher, dass auch bei ausschließlicher Vertretung durch juristische Personen über mehr als eine Ebene (Verschachtelung) stets die natürlichen Personen der untersten Ebene, die zur organschaftlichen Vertretung der persönlich haftenden juristischen Person berechtigt sind, zur Antragstellung verpflichtet sind.[19]

Anwendung der Insolvenzantragspflicht auf ausländische Gesellschaften

Die vorstehend dargestellten Tatbestände der Insolvenzverschleppung sind vom Gesetzgeber bewusst so gefasst, dass auch inländische Niederlassungen ausländischer Rechtsformen von ihnen erfasst werden.

Voraussetzung ist jedoch, dass die ausländische Gesellschaft oder ihre Niederlassung ihren Sitz – also ihren Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen (COMI, centre of main interests) – in Deutschland hat.

Zwar unterliegen Auslandsgesellschaften grundsätzlich dem allgemeinen Verkehrsrecht ihres Sitzstaates. Die deutsche Insolvenzantragspflicht wird jedoch als nicht dem allgemeinen Verkehrsrecht (und auch nicht dem Gesellschaftsrecht) zugehörig eingestuft, sondern als insolvenzrechtliche Norm qualifiziert.

Aufgrund des Rückwirkungsverbots besteht jedenfalls eine Strafbarkeit der Verletzung der Insolvenzantragspflicht für ausländische Gesellschaften mit inländischem Sitz nur dann, wenn die Pflichtverletzung nach der Gesetzesänderung, mithin nach dem 01. November 2008 erfolgt ist.[20]

 

 

 

Organstellung

Adressaten der Haftung sind zunächst diejenigen, die zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet sind, also Geschäftsführer und Liquidatoren. Bei mehreren Geschäftsführern oder Liquidatoren besteht für jeden von Ihnen die Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrags, unabhängig von internen Zuständigkeitsvereinbarungen. Sie haften als Gesamtschuldner. Daneben sind auch faktische Geschäftsführer Adressaten der Haftung wegen Insolvenzverschleppung. Faktische Geschäftsführer sind jedoch nach einer Mindermeinung nicht potentielle Täter der Straftat Insolvenzverschleppung, da nach dieser Ansicht einem solchen Ergebnis das strafrechtliche Analogieverbot[21] entgegensteht.[22] Gesellschafter haften subsidiär im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft, es sei denn, sie haben keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und der Führungslosigkeit.

Vorliegen und Feststellung der Insolvenzantragspflicht

Voraussetzung für die Verwirklichung der Insolvenzverschleppung ist das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit und/ oder der Überschuldung der Gesellschaft. Eine nur drohende Zahlungsunfähigkeit reicht nicht aus.

Die Geschäftsführer sind im Wege der permanenten wirtschaftlichen Selbstkontrolle gehalten, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und deren Liquidität ständig zu überwachen, um so eine drohende Insolvenz früh- und damit rechtzeitig erkennen.

Reaktion auf eingetretene Insolvenzreife

Nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldung ist der Geschäftsführer verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Seine bei Verletzung dieser Pflicht bestehende Schadenersatzhaftung wegen Insolvenzverschleppung steht der Gefahr der Inanspruchnahme auf Schadenersatz wegen sorgfaltspflichtiger Geschäftsführung bei vorzeitiger Antragstellung ohne den Versuch einer Fortführung der Gesellschaft durch mögliche und geeignete Sanierungsmaßnahmen gegenüber.

Damit der Geschäftsführer den danach erforderlichen Spielraum zur Prüfung, Verhandlung und Umsetzung von Sanierungsoptionen erhält, sieht das Gesetz nicht eine sofortige, sondern eine unverzügliche Pflicht zur Antragstellung vor, bei einer Höchstfrist von drei Wochen.

Wenn es nachhaltig gelingt, die Voraussetzungen der Antragspflicht zu beseitigen, erlischt diese. Eine irgendwann einmal gegebene Konkursantragspflicht genügt nicht, um dem betreffenden Geschäftsführer jedwede später eingetretene Gläubigerschädigung zuzurechnen. Für einen Schadenersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung kommt es auf das Vorliegen ihrer Voraussetzungen im Zeitraum der Gläubigerschädigung und nicht auf lange zurück liegende Gegebenheiten an.[23]

Es muss ein zulässiger Antrag gestellt werden, damit der Pflicht zur Insolvenzantrag entsprochen wird. Wenn der Antrag nicht von allen Geschäftsführern gestellt wird muss hierfür der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Bei Antragstellung bei Führungslosigkeit ist auch diese glaubhaft zu machen.[24] Eine „nicht richtige“ Antragstellung begründet ebenfalls die Strafbarkeit.[25]

Frist

Die Frist zur Antragstellung und damit die Pflicht zu derselben beginnt nach dem Gesetzeswortlaut, wenn die juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet wird. Die herrschende Meinung nimmt jedoch an, dass trotz dieser Formulierung, die eine streng objektive Betrachtungsweise nahezulegen scheint, auch subjektive Elemente einzubeziehen sind, wenn auch in objektivierter Weise. Nach dieser Auffassung beginnt die Pflicht dann, wenn die tatsächlichen Umstände, Fakten und Zahlen für den Insolvenztatbestand im Sinne einer offensichtlichen Erkennbarkeit objektiv zu Tage liegen.[26] Wohlgemerkt bedeutet dies nicht, dass auf die Kenntnis des Geschäftsführers abgestellt wird.

Bis zum Ablauf der Frist müssen die Kriterien der Unverzüglichkeit erfüllt sein. Steht schon vor Ablauf der dreiwöchigen Höchstfrist zur Insolvenzantragstellung fest, dass Sanierungsoptionen keinen Erfolg haben werden, darf die Höchstfrist nicht ausgereizt werden, der Antrag muss umgehend gestellt werden.[27]

Subjektiver Tatbestand der Insolvenzverschleppung

In subjektiver Hinsicht setzt die Haftung auf Schadenersatz wegen Insolvenzverschleppung Verschulden voraus.[28]

Es muss daher hinsichtlich sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale mindestens Fahrlässigkeit vorliegen.

Das Verschulden wird bei objektivem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht widerleglich vermutet.

Die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung müssen für den Geschäftsführer erkennbar sein, einer positiven Kenntnis bedarf es nicht.

Wenn dem Geschäftsführer die für die Feststellung der Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht erforderliche Sachkunde fehlt, muss er sich der Hilfe durch einen externen Berater bedienen. Auf die Einschätzung des externen Dritten darf der Geschäftsführer nicht blind vertrauen.

Allein die Tatsache, dass intern ein anderer Geschäftsführer für die Kontrolle der Insolvenzantragspflicht zuständig war, genügt nicht für einen Entlastungsbeweis. Nur ein Nachweis, dass die Erfüllung der Kontrolle hinreichend überwacht wurde und Informationsrechte hinreichend in Anspruch genommen wurde, an den ein strenger Maßstab anzulegen ist, kann Entlastung bringen.

Rechtsfolgen der Insolvenzverschleppung

Bei Vorliegen einer Insolvenzverschleppung ist der Geschäftsführer dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

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